Für einen Rückzugsplan der ausländischen Truppen und einen gerechten Frieden in Afghanistan
07. Okt 2008
Schon über 7 Jahre dauert der bewaffnete Konflikt in Afghanistan. Im letzten Jahr wurde das Mandat für die im Rahmen des ISAF-Mandats gestellten Bundeswehreinheiten verlängert. In der kommenden Woche steht eine weitere Verlängerung und Vergrößerung dieses Truppenkontingents im deutschen Bundestag zur Entscheidung an. Bisher hat die Bundesregierung den Bundeswehreinsatz als einen friedenserzwingenden Einsatz auf Basis eines UN-Mandats und mit Zustimmung der afghanischen Regierung damit begründet, dass die Sicherheit Deutschlands auch von der Stabilität Afghanistans abhänge. Vor allem geht es der Bundesrieglung darum, den Terrorismus nachhaltig zu unterbinden.
pax christi sieht mehr und mehr die Aussichts- und Erfolglosigkeit dieser militärischen Aktionen, die dem Land keinen Frieden gebracht haben. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Bundeswehr sich auch an Aufbaumaßnahmen beteiligt hat. Dies wirkt sich aber für zivile Hilfsorganisationen auch belastend und nicht wie oft behauptet wurde - nur sichernd aus. Realistischerweise muss erkannt werden, dass die gegenwärtigen westlichen Militäroperationen - ISAF und Enduring Freedom (OEF), die sich immer mehr verschränken - Formen eines asymmetrischen Krieges angenommen haben. Gleichzeitig stehen sie vor dem Dilemma, dass dieser Krieg weder gewonnen werden kann, noch aus westlicher Sicht - verloren werden darf. Auch wenn jetzt die Beteiligung der KSK-Einsatzkräfte an der Mission OEF aufgegeben werden soll, wird mit der Erweiterung- und Verlängerung des Mandats weiter an der Gewaltspirale gedreht. Aus der Schutzfunktion der Bundeswehr für Maßnahmen zum zivilen Aufbau des Landes ist ein Kampfeinsatz geworden. Die Spirale der Gewalt muss jetzt durchbrochen werden.
pax christi begrüßt den jetzt erfolgten Schritt zum Dialog der afghanischen Regierung mit den Taliban. Die afghanische Gesellschaft, mit ihren staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen und Interessensgruppen, muss zur Trägerin des Friedensprozesses in Afghanistan werden. Der Aufbau eines gerechten Friedens wird nur durch den Rückbau militärischer Optionen und Ziele bei gleichzeitiger Steigerung ziviler Hilfs- und Aufbaumaßnahmen zu erreichen sein. Dies erfordert eine nach Zeit und Umfang klar definierte Abzugsstrategie aller ausländischen Truppen. Wer dies als Zeichen von Schwäche gegenüber dem Terrorismus bezeichnet, muss die bundesrepublikanische Öffentlichkeit unzweideutig darüber aufklären, dass der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan auf unbestimmte Zeit erfolgen muss, einen extrem hohen Finanz und Materialaufwand benötigt und weitere Todesopfer fordern wird, ohne dass die Erfolgsaussichten des Einsatzes annähernd einzuschätzen sind.
pax christi fordert die Abgeordneten des Deutschen Bundestages dazu auf, der Mandatserweiterung und - verlängerung nicht zuzustimmen und von der Bundesregierung einen zeitlich abgestuften Abzugsplan einzufordern.
Von der Bundesregierung fordert pax christi:
- einen zeitlich abgestuften Abzugsplan der Bundeswehr (und nicht nur der KSE) aus Afghanistan;
- den Aufbau und die Stärkung der Polizeikräfte in Afghanistan endlich konsequent zu verfolgen und auf diese Weise einen notwendigen Beitrag zur Sicherung der staatlichen Autorität in Afghanistan zu leisten;
- die zivile Hilfe für den staatlichen und gesellschaftlichen Aufbauprozess um den Betrag aufzustocken, der durch den Abzug der Truppen frei wird;
- gemeinsam mit den Regierungen der Europäischen Union für eine internationale Konferenz Afghanistans und seiner Nachbarstaaten (Pakistan, Iran, Usbekistan, Tadschikistan) einzutreten;
- eigene Schritte zu ergreifen um unter Einbeziehung der Nachbarstaaten Lösungen für eine Befriedung der Region zu erreichen.
Die afghanische Bevölkerung muss für zivile Maßnahmen gewonnen werden, die erkennbar ihre Lebensverhältnisse verbessern. Nur wenn die Aussichtslosigkeit des Alltags überwunden und eine wirtschaftliche Perspektive gestärkt wird, werden sich Menschen von tendenziell gewalttätigen Organisationen und Strukturen lösen. Die - wenn auch in vielen Fällen schwachen - zivilgesellschaftlichen Kräfte sind zu stärken und als politische Partner ernst zu nehmen.
Berlin, den 7. Oktober 2008